Mittwoch, 11. Juli 2012

Von der Bahn auf den Gipfel?!

Schon vor der heutigen Bergetappe scheint bei der Tour de France alles entschieden. Der Brite Bradley Wiggins unterstreicht sowohl im Vorgebirge, als auch beim Einzelzeitfahren seine Favoritenrolle und düpiert dabei seine Konkurrenten. Der Toursieg wäre sein größter Erfolg seit 2008. Damals gewann er Gold in Peking - allerdings auf der Bahn.


Wenn man am ersten Ruhetag schon von einer perfekten Tour sprechen kann, dann wohl in diesem Jahr. Der Brite Bradley Wiggins fährt bislang eine makellose Rundfahrt, die ganz nach dem Geschmack seiner sportlichen Leitung sein dürfte. Beim Prolog setzte er ein erstes Ausrufezeichen, hielt sich in der ersten Tourwoche aus den zahlreichen Stürzen im Hauptfeld heraus und auf der ersten Bergetappe mit Zielankunft in den Vogesen, bewies er seine Kletterqualitäten und fuhr zeitgleich mit Mitfavorit und Vorjahres-Sieger Cadel Evans über die Ziellinie. Was dann im Einzelzeitfahren am vergangenen Montag folgte, war eine Demonstration seiner unvergleichbaren Tempohärte. Überlegen sicherte sich Wiggins den Tageserfolg und nahm Evans 1:43 Minuten auf 41,5 Kilometern ab. Mit einem ordentlichen Zeitpolster und der Aura des „Unbesiegbaren“ geht der in Gent (Belgien) geborene Kapitän des britischen Sky Pro Cycling-Teams nun in die Alpen.

Daran hätte er vor ein paar Jahren wohl nicht einmal im Traum gedacht. Denn Wiggins kommt vom Bahnradsport. Im Velodrom dekorierte er sich mit den bedeutendsten Titeln. Drei olympische Goldmedaillen, eine silberne und zwei bronzene. Dazu sechs Weltmeistertitel, zwei zweite Plätze und ein dritter Platz. Schon in jungen Jahren hatte er fast alles erreicht, was ihm zum Verhängnis wurde. Nach seinem Olympiasieg 2004 in Athen verfiel er dem Alkohol. Sechs Stunden am Tag tat er nach eigenen Angaben nichts anderes, als Bier zu trinken. Erst die Geburt seines Sohnes half ihm wieder auf die Beine und schließlich wieder aufs Rad.

Im Jahr 2009 entschied er sich gegen das hölzerne Rund und wechselte auf die Straße. Konsequente Gewichtsreduzierung und gezieltes Training auf langen Bergpässen machten ihn in nur kurzer Zeit zu einem der besten Kletterer im Feld.

Nach dem bitteren Tour-Aus im letzten Jahr, als Wiggins sich bei einem Sturz das Schlüsselbein brach, möchte er dieses Jahr den ganz großen Coup. Die Chancen stehen so gut wie wohl bei keiner Tour zuvor, denn Wiggins ist nach seinem Triumph bei der Vorbereitungsrundfahrt Critérium du Dauphiné zweifellos in Topform. Zudem hat er mit Christopher Froome einen absoluten Edelhelfer zur Seite, der momentan Rang drei der Gesamtwertung belegt und den Kletter- und Zeitfahrkünsten seines Kapitäns in kaum etwas nachsteht. Am vorletzten Tag steht außerdem noch ein langes Einzelzeitfahren auf dem Plan, welches nach vergangenem Montag wohl ganz nach dem Geschmack des tempoharten Ex-Bahnradfahrers sein sollte. Der Sieg bei der diesjährigen Tour wird also nur über Bradley Wiggins gehen.

von Jonas Docter

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